1911 -
Berlin
: Hansa-Bund für Gewerbe, Handel und Industrie
Autor: Kleefeld, Kurt
Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
20
Beaufsichtigung und Gesetzgebung des Reichs. Art. 4 R. V. Ausführungs-
gesetze. Einführungsgesetze. Reichsgesetze. Verkündigung. Reichsgesetz-
blatt. Innere und äußere Reichsangelegenheiten. Freie Bewegung. Völker-
rechtlicher und diplomatischer Verkehr. Belagerungszustand. Bundesrats-
ausschuß für auswärtige Angelegenheiten. Bundesexekution. Verfassungs-
streitigkeiten. Nicht privatrechtliche Streitigkeiten. Justizverweigerung.
Wie sich die Interessenten zur Erreichung ihrer privaten An-
gelegenheiten und Ziele in mehr oder minder großem Umfange gesell-
schaftlich oder genossenschaftlich (S. 218) zusammentun, so beruht
das Deutsche Reich auf ähnlichen Grundgedanken. Nur handelt
es sich hierbei nicht um privatrechtliche, sondern um staats- und
völkerrechtliche Aufgaben. Das Deutsche Reich ist die prak-
tische Durchführung des Gedankens von der allein stark machenden
Einigkeit im Leben der Völker. — Es ist eine öffentlich recht-
liche Vereinigung mit bestimmten, dem Allgemeinwohl dienen-
den Zielen und Aufgaben. Für die jüngere Generation ist das „Reich“
ein selbstverständlicher Begriff geworden. Es denkt kaum noch
jemand daran, daß vor seiner Begründung die deutschen Staaten;
lange Zeit durch Zollschranken zu Lande und auf den Flüssen
getrennt waren, daß unter anderm verschiedene Münzen und Post-
wertzeichen auch im inneren Verkehr der deutschen Staaten galten.
Das Grundgesetz des Reichs ist die Reichsverfassung, in
welcher das Reich als ewiger Bund (S. 1) charakterisiert ist. Sie ist
nach menschlichem Ermessen auf lange Zeit geeignet, eine Grundlage
für die Rechte, Pflichten und Aufgaben der Beteiligten zu bleiben,
wenn sie auch selbst praktisch dem Gedanken der Fortentwicklung
Rechnung trägt. Ihre Abänderung ist nämlich vorgesehen und
erfolgt auf dem unten dargestellten Wege, der Gesetzgebung (S. 22).
Aber schon 14 Stimmen im Bundesrat (S. 26) von den 58 reichen aus,
um die Änderung zu verhindern. Damit ist ein wichtiges Recht,
besonders für die kleineren Staaten verbrieft.
Die höchste Regierungsgewalt im Reich liegt nicht bei den deut-
schen Fürsten oder Einzelregierungen, sondern bei den verbün-
deten Regierungen, welche in kollegialer Form im Bundes-
rat die Regierung mitführen und dort durch ihre Abgesandten ver-
treten sind. Die deutschen Fürsten und Staaten erhalten demnach
im Bundesrat die Möglichkeit der Ausübung derjenigen Rechte wieder,
die sie an das Reich abgetreten haben (S. 21). Die Angehörigen der
Einzelstaaten sind bei dieser Regierungsform auch Reichsangehörige
(S. 15). Die Reichsgesetze verpflichten die Einzelstaaten und
deren Angehörige unmittelbar.
Das Bundesgebiet umfaßt 25 Staaten, nämlich 4 König-
reiche, 6 Großherzogtümer, 5 Herzogtümer, 7 Fürstentümer und
3 freie Städte. Die Schutzgebiete gehören staatsrechtlich nicht zum
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bei Bedrohung der öffentlichen Sicherheit im Bundesgebiet oder einem
Teil desselben. In Friedenszeiten liegt dieses Recht auch in den
Händen der betreffenden Bundesstaaten. Der Kaiser übt die Staats-
gewalt in Elsaß-Lothringen (S. 24), die Schutzgewalt in den Schutz-
gebieten (S. 47) und ein Begnadigungsrecht aus, so unter anderem nach
Strafurteilen des Reichsgerichts in erster und letzter Instanz, nach
Urteilen der Prisengerichte, Marine-, Konsulargerichte, Schutzgebiets-
gerichte und in Strafurteilen der Elsaß-Lothringischen Gerichte.
Mit diesen verfassungsmäßig verbrieften besonderen Funktionen
des Kaisers ist aber seine Regierungstätigkeit durchaus nicht um-
fassend zur Darstellung gelangt.
Der Kaiser kann durch mündliche und schriftliche verfassungs-
mäßig nicht festgelegte Verlautbarungen aller Art stets auch in den
bedeutungsvollsten politischen Aktionen Einfluß nehmen, ohne daß es
möglich wäre, diese Rechte und Fälle einzeln zu umschreiben. Die
kaiserlichen Anordnungen sind aber für die Beteiligten in
der Regel nur dann verbindlich, wenn sie vom Kaiser unter-
zeichnet und vom Reichskanzler gegengezeichnet und gehörig publi-
ziert worden sind.
2. Der Bundesrat
Bundesrat. Geschäftsführender Ausschuß. Träger der Reichsstaatsgewalt
58 Stimmen. Reichsgesetzgebung. Organ der souveränen Regierungsgewalt.
Organ der Regierung. Organ der Verwaltung. Organ der Rechtspflege.
Stimmverhältnis. Vorrecht Preußens. Verfassungsändernde Gesetze. Sonder-
rechte. Änderung des Bundesvertrages. Bundesratsbevollmächtigte. Regierungs-
instruktion. Sondergesandte. Kaiserliche Berufung des Bundesrats. Kein
Recht des Selbstzusammentritts. Vorsitz und Leitung. Plenum. Ausschüsse.
Dauernde, besonders eingesetzte.*§ Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten.
Der Bundesrat ist der „geschäftsführende Ausschuß“
der im deutschen Reiche verbündeten Staaten. Er ist der Träger
der Reichsstaatsgewalt und übt alle Rechte dieser aus, soweit
sie nicht durch Verfassung oder Gesetz, speziell dem Kaiser oder be-
sonderen Amtsstellen übertragen sind.
Die 25 verbündeten Regierungen sind im Bundesrat mit
58 Stimmen vertreten. Preußen stehen 17 Stimmen zu. Im Plenum
des alten deutschen Bundes hatte Preußen nur 4 Stimmen, dazu
kommen jetzt Hannover (4), Kurhessen (3), Holstein-Lauenburg (3),
Nassau (2), Frankfurt (1). Bayern führt 6, Sachsen und Württemberg
je 4, Baden und Hessen je 3, Mecklenburg-Schwerin und Braunschweig
je 2, die übrigen Staaten je 1 Stimme. Die Stimme Waldecks (1)
ist durch Sta-atsvertrag auf Preußen übertragen worden. Elsaß-Loth-
ringen (S. 24) ist im Bundesrat nicht vertreten, doch kann der Statt-
halter bei Verhandlungen über Landesangelegenheiten Kommissare
mit beratender Stimme abordnen (Rv. Art. 6, G. vom 4. Juli 1879).
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Staate Gesetze zu erlassen hat und wie sie zustande kommen, das ist
überall in Deutschland durch die Verfassungen bestimmt. Im abso-
luten Staat steht die Gesetzgebung allein dem Landesherrn zu, in
konstitutionellen Staaten liegt sie beim Landesherrn und der Ver-
tretung des Volkes. Erfolgt letztere in zwei Kammern, so ist die Über-
einstimmung dieser erforderlich, dabei ist es in der Regel gleichgültig,
an welche Kammer der Gesetzentwurf zuerst gelangt. Die zweiten
Kammern haben häufig Finanzgesetzen gegenüber besondere Vor-
rechte. Die Veröffentlichung und Verkündung der Gesetze erfolgt
durch Gesetzsammlungen.
Die Vorteile, welche der Staat seinen Angehörigen gewährt, werden
durch die Staatsangehörigkeit erworben. (Bg. über den Erwerb
und Verlust der Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870, Bgbl. 1870,
S. 355.) Diese knüpft sich an gewisse rechtlich erhebliche Tatsachen,
so an Abstammung und Verheiratung von und mit Angehörigen eines
Staates. Sie kann aber auch verliehen werden und heißt Aufnahme
bei Reichsangehörigen und Naturalisation hei Fremden. Beamte
erhalten die Staatsangehörigkeit mit der Anstellung, ferner bei Gebiets-
erwerbung die auf diesem Gebiete wohnenden Personen mit dieser. Ob
fremde Offiziere durch den Dienst im Heer die Staatsangehörigkeit er-
langen, ist zweifelhaft. Verloren geht sie aus folgenden Gründen: so
durch Verheiratung mit einem Fremden, durch Legitimation (S. 138)
der Kinder, durch Entlassung auf Antrag, durch Aberkennung,
wenn ein Deutscher sich im Auslande aufhält und bei Kriegsgefahr
oder Krieg der Rückkehraufforderung nicht folgt oder ohne Erlaubnis
in fremden Staatsdienst eintritt und diesen auf Aufforderung nicht
verläßt. Sie erlischt durch Verjährung infolge zehnjährigen Aufent-
halts im Ausland, es sei denn, daß der Betreffende sich in die
Matrikel (Liste) des in Frage kommenden Konsulats (S. 45) hat ein-
tragen lassen. Im übrigen ist die Reichsangehörigkeit im deutschen
Reiche — das Umgekehrte gilt in den Staaten der nordamerikanischen
Union — nur ein Zubehör zur Staatsangehörigkeit in den Einzelstaaten
(mittelbare Reichsangehörigkeit), so auch in der Schweiz.
Jeder Angehörige eines Bundesstaates ist sonach Reichsangehöriger.
Eine direkte Reichsangehörigkeit haben die Elsaß-Lothringer. Sie
besitzen aber keine Staats-, sondern nur Landesangehörigkeit (S. 24).
Ausländern und Eingeborenen kann in den Schutzgebieten (S. 47) die
Reichsangehörigkeit ohne Staatsangehörigkeit verliehen werden.
Aus dem Verhältnis der Zugehörigkeit eines Menschen zu einem
bestimmten Staat entstehen für diesen Rechte und Pflichten.
Er hat Anspruch auf Schutz im Auslande, auf gleichmäßigen Schutz
im Inland und auf den Genuß der Wohltaten der Gesetze. Jedem
Deutschen steht bei Rechtsverweigerung die Beschwerde an den
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Ferner kommen hier die Reichsbankbehörden, nämlich das
Reichsbankdirektorium und Reichsbankkuratorium
(S. 234), in Frage.
Als Behörden der Reichsverwaltungsgerichtsbar-
keit sind zu erwähnen: Das Bundesamt für das Heimat-
wesen als höchster Gerichtshof zur Entscheidung von Streitigkeiten
zwischen Armenverbänden verschiedener Bundesstaaten über die
öffentlich-rechtliche Unterstützung von Hilfsbedürftigen (S. 107); das
kaiserliche Patentamt ist zuständig für die Erteilung, Nichtig-
keitserklärung und Zurücknahme von Erfindungspatenten, für die
Eintragung und Löschung von Warenzeichen und für die Eintragung
von Gebrauchsmustern.
Dasreichs versicherungsamt verwaltet die sozialpolitische
Gesetzgebung, nämlich die Unfall-, Invaliden- und Altersversicherung
als höchste Instanz.
Das kaiserliche Aufsichtsamt für Privatversiche-
rung dient der Beaufsichtigung von Privatunternehmungen, die den
Betrieb von Versicherungsgeschäften zum Gegenstand haben (S. 224).
Das Oberseeamt (S. 241) entscheidet endgültig auf die Be-
schwerde gegen Urteile der Seeämter, durch welche einem Schiffer,
Steuermann oder Maschinisten eines Seeschiffes die Befugnis zur Aus-
übung des Gewerbes entzogen wird.
Die Reichsrayonkommission (S. 73) urteilt in Festungs-
angelegenheiten gegen Entscheidungen und Anordnungen der
Festungskommandanten, in allen, auch Entschädigungsfragen.
Das verstärkte Reichseisenbahnamt befaßt sich mit
der Entscheidung über vom Eisenbahnamt (S. 235) getroffene Maß-
regeln, deren Gesetzmäßigkeit oder Rechtsgültigkeit angefochten wird.
Als selbständige Reichsfinanzbehörden kommen die
Verwaltung des Reichsinvalidenfonds, sowie des Fonds zur Er-
richtung des Reichstagsgebäudes (S. 79) in Betracht.
Der Rechnungshof des deutschen Reichs (S. 78), welcher
mit der preußischen Oberrechnungskammer verbunden ist, hat die
Rechnungen und die Etats zu prüfen, ferner das Vermögen des Reichs
zu beaufsichtigen. Der Reichsschuldenkommission steht die
Aufsicht über die Reichsschuldenverwaltung zu, welche
ihrerseits die mit der Verwaltung der Reichschulden verbundenen
Geschäfte erledigt und das Reichsschuldbuch führt.
Richterliche Reichsbehörden sind das Reichsgericht
in Leipzig, welches die höchste gerichtliche Instanz des Reichs
in Zivil- und Strafsachen darstellt. Das Reichsmilitärgericht
(S. 68) ist der oberste Gerichtshof in militärgerichtlichen Angelegen-
heiten für die gesamte bewaffnete Macht des Reichs. Ferner kommen
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die Marinestrafgerichte (S. 67), die Reichskonsular-
gerichte (S. 47) und die Disziplinargerichte (S. 42) für
die Reichsbeamten in Frage.
Während die Behörden der aktiven Reichsverwaltung formell der
Leitung des Kanzlers unterstehen, sind die Behörden der Reichsver-
wallungsgerichtsbarkeit, die selbständigen Reichfinanzbehörden und
die richterlichen Reichsbehörden unter Oberaufsicht des Kanzlers
selbständig gestellt. Der materielle Inhalt der Entscheidungen dieser
Behörden ist der Einflußnahme des Kanzlers entzogen.
Vii. Die Reichsbeamten.*)
Begriff des Beamten. Widerstand gegen die Staatsgewalt. Reichsbeamte.
Unmittelbare Reichsbeamte. Mittelbare Reichsbeamte. Anstellung. Diensteid.
Kautionsleistung. Pflichten der Reichsbeamten. Gesetzmäßige, gewissenhafte
Amtsführung. Achtungswürdiges Verhalten. Amtsverschwiegenheit. Gehorsam
gegen die Vorgesetzten. Urlaub. Annahme von Auszeichnungen, Neben-
ämter, Nebenbeschäftigungen. Unfreiwillige Pensionierung. Einstweilige Ver-
setzung in den Ruhestand. Dienstvergehen. Disziplinarbestrafung. Ordnungs-
strafen. Entfernung aus dem Amte. Förmliches Verfahren. Voruntersuchung.
Mündliche Verhandlung. Reichsdisziplinarkammern. Disziplinarhof. Vorläufige
Dienstenthebung. Defektenverfahren. Rechte der Beamten. Strafrechtlicher
Schutz. Geldansprüche. Titel. Rang. Uniform. Rechtsweg für Geldansprüche.
Gehaltsansprüche. Dienstaltersstufen. Besoldungsordnung. Wohnungsgeld-
zuschuß. Dienstreisen. Umzugskosten. Pensionierung. Pensionssätze. Kriegs-
jahre. Sterbemonat. Gnadenquartal. Witwen- und Waisengelder. Besteue-
rung des Diensteinkommens. Kolonialbeamte.
Beamte sind die bei den Behörden angestellten Personen,
durch welche der Staat seine Gewaltausübung vomimmt. Sie unter-
stehen als Staatsbürger den allgemeinen privat- und strafrechtlichen
Bestimmungen, wenn auch die in ihre Hände gelegte Ausübung der
öffentlichen Gewalt in gewissen Fällen besonderen Schutz für sie
und besondere Rechte, aber auch besondere Pflichten mit sich
bringt. So werden z. B. die Bestechung, die Nötigung, die Körper-
verletzung, die Urkundenfälschung, die Unterschlagung usw. bei
Beamten strenger geahndet. Andere Handlungen sind überhaupt nur
strafbar, wenn sie von Beamten begangen werden (Rstgb. §§331—359,
S. 117). Der Widerstand gegen einen in der rechtmäßigen Ausübung
seines Amtes befindlichen Beamten wird als Widerstand gegen
die Staatsgewalt bestraft (Rstgb. §§ 110—122). Privatrecht-
lich haften die Beamten für' ihre schädigenden Handlungen im
Amte oder außerhalb desselben nach besonderen Vorschriften des
*) Das Reichsbeamtengesetz vom 31. März 1873 ist mehrfach geändert
worden, zuletzt durch Neufassung vom 17. Mai 1907. Bearbeitung von Brand.
Berlin 1907; Schultze. Leipzig 1908. Wegen der Rechtsverhältnisse der
Kolonialbeamten vgl. Kaiserl. Verord. vom 9. August 1896 und 25. Mai 1901.
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Extrahierte Personennamen: Gnadenquartal Schultze August
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— 45 —
Die Beglaubigung der fremden Gesandten erfolgt durch
Überreichung des Beglaubigungsschreibens (Creditive). Erst mit
diesem Akt beginnt die offizielle amtliche Tätigkeit, welche
vor allem darin besteht, die internationalen Bezie-
hungen der beiden Staaten zu fördern, die politischen
und wirtschaftlichen Verhältnisse zu beachten und die
eigenen Staatsangehörigen zu schützen. Über die ge-
machten Beobachtungen sind fortlaufend eingehende Berichte an
das Auswärtige Amt zu senden.
Die fremden Chefs und Mitglieder der Missionen, ebenso deren
Familienmitglieder und das Gesandschaftspersonal unterliegen in
der Regel der inländischen Gerichtsbarkeit nicht (Exterritorialität
vgl. §§ 18, 19 Gvg.). Ihre Wohnungen gelten als Gebiete des von
ihnen vertretenen Staates. Ferner sind die auswärtigen Gesandten
im Deutschen Reich von direkten Staats- und Kommunalsteuern be-
freit und erhalten die Zölle in der Regel aus der Reichskasse zurück-
vergütet.
2. Konsulatswesen.
Rechtsverhältnisse der deutschen Konsuln. Ausschließliche Reichszuständig-
keit. Berufskonsuln. Wahlkonsuln. Exequatur. Generalkonsuln. Konsuln.
Vizekonsuln. Konsularagenten. Allgemeine Aufgaben. Zuständigkeit im be-
sondern. Freiwillige Gerichtsbarkeit. Polizeiliche Befugnisse. Matrikel. Richter-
liche Kompetenz. Konsulargerichte. Zahl der Konsulate.
Die Konsuln sind aus den Vorstehern der Handelsfaktoreien
hervorgegangen, welche im Mittelalter an den größeren Handels-
plätzen für die einzelnen Nationen entstanden. Auf dieser Grundlage
ist besonders in England und Frankreich das Konsulatswesen in seiner
heutigen Gestalt entstanden.
Die Rechtsverhältnisse der deutschen Konsuln sind
durch das Konsulardienstgesetz vom 8. November 1867 (Rgb. 137)
und durch das Konsulargerichtsbarkeitsgesetz vom 7. April 1900
(Rgb. 213, 999) geregelt. Das Konsulatswesen gehört, im Gegensatz
zum Gesandtschaftswesen, zur ausschließlichen Zuständig-
keit des Reichs.
Demgemäß steht den Bundesstaaten das Recht der Errichtung
eigener Konsulate nicht zu. Hiervon bestehen insofern Ausnahmen,
als die Einzelstaaten fremde Konsuln bei sich und Konsulate im
Reichsgebiet haben und ferner provisorische Konsulate bis zur Er-
richtung von Konsulaten durch das Reich bestellen können. Die
Konsuln werden vom Kaiser nach Äußerung des Bundes-
ratsausschusses von Handel und Verkehr ernannt. Man hat bei ihnen
zwischen den besoldeten und Berufskonsuln und den Wahl-
konsuln, welche ein unbesoldetes Ehrenamt bekleiden und meist
Kaufleute sind, zu unterscheiden.
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Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
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eigenen Landeshauptmann. Ferner ist auch in anderen Schutzgebieten
das Hinterland noch in der Verwaltung der Kolonialgesellschaften. Der
Reichskanzler ist jedoch ermächtigt, die deutschen Verwaltungsein-
richtungen entsprechend den Fortschritten der Kultur auch auf das
Hinterland auszudehnen (Kais. V. vom 2. Mai 1894).
Die Gerichtsbarkeit wird im Rahmen der Konsulargerichts-
barkeit ausgeübt (Rg. vom 7. Mai 1900). An die Stelle des Konsuls
tritt ein vom Reichskanzler bestellter Richter, der in schweren Fällen
Reisitzer hinzuzieht. Für die Rechtsmittel der Rerufung oder Be-
schwerde kommt als zweite Instanz das betreffende Kaiserliche Ober-
gericht, welches in einer Resetzung von 5 Männern verhandelt, oder
ein Konsulargericht in Frage.
Die Rechtsprechung hat gemäß § 3 des Gesetzes vom 10. De-
zember 1900 nach dem bürgerlichen Straf- und Prozeßrecht zu erfolgen.
In zweiter Linie gelten die Normen des Gebiets des allgemeinen Land-
rechts (S. 100 vgl. § 21 des Kgg. vom 25. Oktober 1900, Rgbl S. 213).
Durch Kaiserliche Verordnungen sind unter anderem
geregelt worden: Die Strafbefugnisse der Verwaltungsbehörden
(14. Juli 1905, Rgbl. 717), die Rechte an Grundstücken (21. November
1902, Rgbl. 283) und das Bergwesen (Bergverordnung für Südwest-
afrika vom 8. August 1905, für die übrigen afrikanischen und Südsee-
Schutzgebiete vom 27. Februar 1906, Rgbl. 363). Durch Verordnung
vom 16. Januar 1909 (Rgbl. 270) wurde der Handel mit südwestafrika-
nischen Diamanten geordnet; dieser erfolgt durch eine eigene
Behörde (Diamanten-Regie) gegen Gebühr imd kann eingeschränkt
werden. Nach dem Rg. vom 28. Juli 1895 ist der Sklavenhandel
und die Mitwirkung am Sklavenraub mit Zuchthaus und mit hoher
Geldstrafe bedroht; die Veranstalter und Anführer eines derartigen
Raubzuges werden mit dem Tode bestraft, wenn auf der Gegenseite
der Tod einer Person herbeigeführt worden ist. Die Ausfuhr von
Angoraziegen, Straußen und Straußen eiern wurde durch
zwei Verordnungen vom 15. Februar 1909 (Rgbl. 403, 404)
verboten. Durch Kaiserliche Verordnung vom 25. Februar 1896 ist
dem Reichskanzler die Ermächtigung erteilt worden, auch die Ge-
richtsbarkeit über die Eingeborenen zu regeln. In Ver-
folg diese]' liegt die Gerichtsbarkeit und die Disziplinargewalt (V. vom
22. April 1896) lediglich den höheren Kolonialbeamten ob. Diese
können sie nur auf eigene Verantwortung än Untergebene übertragen.
Gerichtliche Strafen sind: Körperliche Züchtigung (Prügel-
und Rutenstrafe bis zu 20 und 25 Schlägen), Geldstrafe, Gefängnis
mit Zwangsarbeit, Kettenhaft und die vom Gouverneur zu verfügende
Todesstrafe. Als Disziplinarstrafen kommen in Frage: Körperliche
Züchtigung und Kettenhaft bis zu 14 Tagen.
Kleefeld, Bürgerkunde. 4
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst]]
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ordentlichen Gerichte gehörigen Straf-, Zivil- und Konkurs-Sachen
dürfen abgesehen von den Gerichtskosten (S. 149), besondere Stempel
durch die Einzelstaaten nicht erhoben werden.
Wegen der kommunalen Verkehrsabgaben S. 11.
Die ordnungsmäßige Eintreibung der Reichsverbrauchs- und
R.eichsverkehrssteuern wird einerseits durch eine scharfe individuelle
Aufsicht und Kontrolle der steuerpflichtigen Betriebe und Ein-
richtungen unterstützt, während andererseits Zuwiderhandlungen und
Verletzungen der Pflichtigen durch strenge Strafen bedroht sind. Bei
den Verbrauchssteuern besteht in der Regel eine dauernde Auf-
sicht der steuerpflichtigen Betriebe, teilweise unter Anwendung be-
sonderer Kontrollapparate. Wegen der Verkehrsabgaben ist eine
Durchsicht der Bücher und Korrespondenzen der in Betracht kommen-
den Personen und Gesellschaften zugelassen.
6. Reichszölle.
Begriff. Finanzzölle. Schutzzölle. Prohibitivzölle. Schutzzollsystem. Frei-
handel. Adam Smith. Merkantilsystem. Autonomer Zolltarif. Retorsions-
zölle. Einseitige tarifmäßige Bindungen. Zoll-, Handels-, Schiffahrts-Verträge.
Konventionaltarife. Differenzialzölle. Meistbegünstigungsklausel. Ursprungs-
zeugnisse. Deutschlands einheitliches Zoll- und Handels-Gebiet. Ausnahmen.
Ein-, Aus- und Durchfuhr-Zölle. Übergangsabgaben. Entwicklung des Zoll-
systems in Deutschland. Gemäßigtes Schutzzollsystem. 1879. 1885. 1887.
Autonomer Tarif mit Erhöhung zugunsten landwirtschaftlicher und indu-
strieller Zölle. Handelsverträge mit Ermäßigungen der landwirtschaft-
lichen und industriellen Zölle Staffeltarife. Identitätsnachweis. Zolltarif-
gesetz von 1902. Amtliches Warenverzeichnis. Auskunftsstellen. Zollrecht.
Zollordnung. Art der Verzollung. Zollbefreiungen. Statistik des Warenver-
kehrs. Sätze des neuen Tarifs. Getreidezölle. Minimalzölle. Viehzölle. Holz,
Kohlen zollfrei. Eisenzölle. Rohstoffe für die Textilindustrie frei. Zölle auf
Gewürze und Materialwaren. Kaffee- und Tee-Zoll. Öffentliche Zollnieder-
lagen. Private Transitlager. Reine und gemischte Transitlager. Identitäts-
nachweis. Einfuhrscheine. Veredelungsverkehr. Ausstellungs waren. Zoll-
kartell. Verzollungsverfahren. Zollstrafverfahren. Zollstrafrecht. Kontre-
bande. Defraudation.
Zölle bedeuten Auflagen, Abgaben, Steuern, die von eine gewisse
Grenze passierenden Waren erhoben werden. Sie sind Finanzzölle
oder Schutzzölle oder beides vereint, je nachdem sie in erster
Linie der Vermehrung der Staatseinnahmen oder der Erfüllung volks-
wirtschaftlicher Aufgaben, besonders dem „Schutz der nationalen
Arbeit*' gegen ausländische Konkurrenz dienen sollen. Durch so-
genannte Prohibitivzölle ist deren Ausschluß herbeiführbar.
Man hat Schutzzollsystem und Freihandelsprinzip
zu unterscheiden. Letzteres beruht auf dem Gedanken weitgehenden
zwischenstaatlichen Wettbewerbs und ungehinderten Güteraustausche
unter Beseitigung oder Verminderung der Zölle. Er wird vor allem
da, wo die Einfuhr ausländischer Erzeugnisse erforderlich erscheint,
oder deren Wettbewerb nicht zu fürchten ist, in Frage kommen.
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TM Hauptwörter (100): [T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
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Berlin
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Autor: Kleefeld, Kurt
Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
54
Mächte vornehmen dürfen. Der Zweck der Neutralität liegt vor allem
darin, einen Pufferstaat zwischen den benachbarten Staaten zu
schaffen. Neutrale Staaten sind die Schweiz seit 1815, Belgien seit
1830, Luxemburg seit 1867. Eine weitere Beschränkung der völker-
rechtlichen Unabhängigkeit liegt in der sogenannten Oberherrlich-
keit (Souzeränität) eines Staates. Derartige Beziehungen bringen
für gewisse Fälle ein Vetorecht des Oberstaates mit sich, während
andererseits dieser eine Schutzpflicht gegenüber dem halbsouveränen
Staat zu übernehmen hat. Als Beispiele hierfür haben Ägypten unter
der Türkei, Kuba unter den Vereinigten Staaten, die indischen Staaten,
Borneo, Zanzibar und Südafrika unter England zu gelten.
Das Staatsgebiet erstreckt sich auf das Landesterritorium
des betreffenden Staates, ferner aber auch auf die Handelsschiffe
auf hoher See, nicht im Hafen, und auf die Kriegsschiffe schlechthin.
Ferner gehören der Luftraum über dem Lande und der Raum unter
der Oberfläche und außerdem die Küstengewässer bis zu 3 Seemeilen
zum Staatsgebiet.
Der Staatsschutz steht in erster Linie den Staatsangehörigen
zu, weshalb Ausländer und ausländische juristische Personen den
Inländern und inländischen Vereinen insoweit nicht gleichstehen,.
Als Grundrechte der Staaten untereinander, welche im
völkerrechtlichen Verkehr nicht angetastet werden dürfen, gelten das
Recht auf Unabhängigkeit, das Recht auf gegenseitigen Verkehr und
auf Achtung und Anerkennung der Hoheitszeichen und Insignien
(Interessensphäre der Staaten). Mit dem Recht auf Unabhängigkeit
steht die „Anbietung guter Dienste“ und die „Intervention zwecks
Verhinderung von Streitigkeiten“ nicht im Gegensatz.
Zur Frage der völkerrechtlichen Vertreter sei bemerkt,
daß als höchste Vertreterinstanz das Staatsoberhaupt, eventuell die
Präsidenten der Republiken in Frage kommen. Dies kann jedoch
durch Staatsverfassung anders bestimmt sein. So wird die Schweizer
Republik nicht durch einen Präsidenten, sondern durch den Bundesrat
vertreten. Außer den Gesandten und Konsuln (S. 43),
welche nationale Faktoren zur Vermittlung internationaler Beziehungen
sind, kommen noch als internationale Organe des völker-
rechtlichen Verkehrs Konferenzen, Kongresse und auch ständige
Staatsvertretungen in Frage. Diese sind entweder internationale
dauernde Kommissionen, s. z. B. die internationalen Gerichte;
ferner internationale Stromkommissionen, so besonders
die Donau- und Suezkanal-Kommission und Sanitätskommis-
sionen, wie in Konstantinopel, Alexandrien; außerdem Finanz-
kommissionen zwecks Kontrollierung der Finanzen einzelner
Staaten, so die Kontrolle der ägyptischen Finanzen, der griechischen
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Extrahierte Ortsnamen: Belgien Luxemburg Oberherrlich- Kuba Borneo England Schweizer
Republik Konstantinopel
1911 -
Berlin
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widerung von Unrecht mit Unrecht, oder in der friedlichen
Blockade bestehen. Diese führt zur Absperrung der Häfen gegen
Einfuhr und Ausfuhr.
Der Krieg ist die Anwendung der äußersten Gewalt zweier
Staaten gegeneinander. Kriegsparteien sind in der Regel nur
die souveränen Staaten.
Als Arten des Krieges kommen Landkrieg und Seekrieg
in Frage. Man unterscheidet ferner Angriffs- und Defensiv-
kriege. Der Krieg wird entweder durch eine formelle Kriegs-
erklärung, oder durch ein bedingtes Ultimatum, oder
durch Eröffnung der Feindseligkeiten begonnen. Die
diplomatischen Beziehungen der kriegführenden Mächte hören auf,
den Konsuln und Gesandten weiden ihre Pässe zugestellt, die Staats-
verträge erlöschen. Die Beendigung des Krieges tritt durch Unter-
werfung eines Staates oder durch Vertrag ein. Der Krieg wird auf
dem gesamten Staatsgebiet der beteiligten Parteien einschließlich
der Küstengewässer, ihrer Kolonien und der hohen See geführt.
Dabei ist von Wichtigkeit, daß das Privatgut regelmäßig unantastbar
ist und nur im Falle des Notstandes gegen Entschädigung des Ver-
letzten angegriffen werden darf. Auch während des Kriegszustandes
sind besondere Abmachungen zwischen den kriegführenden Parteien
nicht ausgeschlossen, so z. B. Vereinbarungen der Waffenruhe,
des Waffenstillstandes oder der Kapitulation.
Über die Entwicklung des Kriegsrechts vgl. Pariser Seerechts-
deklaration, Genfer Konvention, Haager Konferenz (S. 52 ff.).
Völkerrechtliche Vorschriften hinsichtlich des Seekrieges sind
vor allem in der Pariser Seerechtsdeklaration von 1858 ent-
halten. In diesem Zusammenhänge sei festgestellt, daß Kaper-
schiffe zu dem Zwecke ausgerüstet werden, um die Wegnahme
feindlichen Guts zu betreiben. Sie erhalten einen Kaperbrief. Wäh-
rend die Kaperei im allgemeinen beseitigt wurde, ist sie z. B. noch
von den Vereinigten Staaten von Amerika und von Spanien zu-
gelassen.
Die Rechte und Pflichten der neutralen Staaten
im Kriege bestehen vor allem darin, nach keiner Richtung in die
feindlichen Auseinandersetzungen einzugreifen oder sich an diesen
irgendwie zu beteiligen.
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